Was mich Corona gelehrt hat

Wir stecken in einer Krise, die enorme Auswirkungen hat. Obwohl auf den ersten Blick nur negative Folgen zu sehen sind, kann man dem Ganzen aber auch etwas Gutes abgewinnen. Denn aus jeder Herausforderung kann man Wertvolles lernen. Eigentlich sind es sogar gerade die Tiefen in unserem Leben, aus denen wir unsere größte Entwicklung ziehen.

Corona hat mir viel Zeit zum Nachdenken geschenkt und meine Erkenntnisse möchte ich nun gerne mit dir teilen.

Photo by Daniel Graf

Acht Dinge, die mich Corona gelehrt hat:

1. Jedes Gefühl hat seine Daseinsberechtigung.

Es wird Zeit, uns unseren „Verurteilungsmuskel“ abzutrainieren.

Einige horten Nudeln und Toilettenpapier, manche trauen sich nicht mehr auf den Balkon und der Nächste macht sich darüber lustig oder verbreitet Verschwörungstheorien. Selten hat es so viele Möglichkeiten gegeben, uns einander die Meinung aufzudrücken oder andere für den Umgang mit ihren Gefühlen zu verurteilen.

Ich bemühe mich in diesen Wochen mehr als sonst, gesunde Grenzen zu ziehen. Dafür distanziere ich mich bewusst von Meinungen und Energien, die nicht meine eigenen sind. Ganz besonders von solchen, die Panik verbreiten und mir nichts außer ein schlechtes Gefühl geben.

Wir sollten einander Raum geben und uns erlauben, unsere Gefühle zu fühlen – ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen. Gefühle sind da, weil sie gefühlt werden wollen.

Steh also zu deinen Sorgen und Ängsten. Ein Leben ohne Angst ist nicht möglich und auch gar nicht nötig. Sie ist eine Basisemotion, die nicht einfach durch Verleumdung gestoppt werden kann. Dein Ziel sollte es sein, einen so guten Umgang mit deiner Angst zu finden, dass kein zu großer Leidensdruck entsteht.

Und bist du bei dem Thema hingegen entspannt, mach dich nicht über andere lustig, die nicht mit deiner Ruhe (oder Gesundheit) gesegnet sind.

2. „Digital Detox“, oder auch: Achtsames Konsumieren

Mir wurde es mit der medialen Berichterstattung schon zu viel, als Corona noch gar nicht richtig angefangen hatte. Seitdem vermeide ich es, mich von einer Meldung nach der anderen berieseln zu lassen und entscheide selbst, wann und wie ich mich informiere.

Vor Kurzem habe ich meine Benachrichtigungen für Instagram ausgestellt und frage mich nun, warum zur Hölle ich das nicht schon früher gemacht habe.

Wir dürfen uns nicht nur von Meinungen und Energien anderer Menschen in unserem Umfeld abgrenzen, sondern auch von den sozialen Medien und der Berichterstattung im Fernsehen, Radio oder der Zeitung.

Statt sich aus allen Ecken News einzuholen, sollte man lieber achtsam auswählen, wem und was man seine Aufmerksamkeit schenken möchte.

Das ist keine Ignoranz, sondern Selbstschutz – und ein bewusster Umgang mit Informationen.

3. Erholung ist genauso wichtig wie Anstrengung.

Corona hat uns alle dazu gezwungen, runterzufahren und mehr Zeit mit uns selbst zu verbringen, als viele jemals für angemessen gehalten hätten.

Genau dies hat mir wieder einmal gezeigt, dass Durchatmen, Pausen machen, Reflektieren und Sich Erholen genauso wichtig sind wie Gas geben, Erschaffen und Umsetzen.

Hier gilt die gleiche Regel wie beim Sport: Ohne Erholung zwischen den Trainingseinheiten keine Entwicklung. Denn die Muskeln brauchen Zeit zur Regeneration.

So kann ich auch nur dann nachhaltig erfolgreich und produktiv sein, wenn ich mir regelmäßig Zeit für „Unproduktives“ nehme. Am besten täglich: Kleine Momente zum Ausruhen und Kraft tanken.

Wer immer nur durchzieht und sich keine Ruhe erlaubt, brennt irgendwann aus. Und das war’s dann erstmal mit dem Produktivsein.

„Work hard – rest hard! Je entspannter und erholter du bist, desto erfolgreicher wirst du sein.“ (Laura Malina Seiler)

4. In Zeiten der Unklarheit erscheint umso klarer, was wirklich wichtig ist.

Seit Corona besteht für mich kein Zweifel mehr darüber, was ich zum Leben brauche und was nicht.

Gesundheit ist der größte Reichtum.

Wahrer Luxus ist nicht Geld, sondern Zeit: mit den Menschen, die man liebt.

Freude an den kleinen Dingen und allem, was man immer tun kann: Lachen, singen, tanzen, ein gutes Buch lesen, schreiben, Sport machen, ein tiefes Gespräch, in die Natur gehen, Spiele spielen, kochen, Essen genießen…

Ich glaube, ich habe in diesem Jahr schon so viele Spaziergänge gemacht und Filmabende mit meiner Familie genossen wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Wir lernen einander besser kennen, weil wir nicht mit unwichtigen Dingen beschäftigt und von ihnen abgelenkt sind. Das gemeinsame Abendessen wird zum Highlight des Tages und statt ungeduldig auf die nächste Verabredung zu warten, hören wir uns gegenseitig zu, lachen miteinander und sind dankbar, dass wir uns haben.

„Auf der Suche nach dem großen Glück übersehen viele Menschen gern, dass sein Unterfutter aus kleinen Momenten gewebt ist.“ (Florian Langenscheidt)

Am Ende zählt nicht, wie viel Geld wir verdient oder wie viel Zeit wir mit Arbeiten verbracht haben.

Was wirklich zählt, sind zwischenmenschliche Beziehungen, wie sehr wir uns geliebt gefühlt und wie viel Liebe wir selbst in die Welt gebracht haben. Was zählt, sind unsere Freiheit und unsere Kraft, „ein Leben zu erschaffen, das am Ende eine goldene Spur aus Liebe, Freude und Mitgefühl im gesamten Universum hinterlässt“ (Laura Malina Seiler).

5. Wenn es kein klares „Ja“ ist, ist es ein „Nein“. Oder auch: Meine Zeit achtsamer einteilen.

Diesen Tipp schreibe ich vor allem für mich selbst. Nichts fällt mir schwerer, aber auch nichts reduziert meine Frustration mehr, als Folgendes endlich mal einzusehen: Es ist okay, „Nein“ zu sagen. Wenn ich „Nein“ sage, sorge ich für mich und andere.

Sicher kennen wir alle das Prinzip des Minimalismus. Wenn es ums Ausmisten geht, haben die meisten von uns seine befreiende Wirkung schon einmal erlebt. Wie aber sieht es mit „überflüssigen“ Unternehmungen aus? Überflüssigen Verabredungen, Versprechen, Gefallen oder Gesprächen?

Die Idee des Minimalismus ist einfach zu gut, um sie nicht auch auf andere Bereiche zu übertragen!

Wir sollten uns selbst bessere Fragen stellen. Zum Beispiel: Trägt das, was ich gerade überlege zu tun, zu meiner Vision oder zu meiner Erfüllung bei? Möchte ich das, was hier gerade passiert, eigentlich?

Und wenn es kein klares JA ist, dann ist es ein NEIN!

Ist es nicht manchmal ein bisschen wahr, dass wir Dinge kaufen, die wir nicht brauchen, mit Geld, das wir nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht mögen?

Ich möchte lernen, nur noch dem zu folgen, was sich gut anfühlt und alles andere dankend abzulehnen (sofern es sich nicht um Notwendiges wie den Wocheneinkauf oder meine Steuererklärung handelt).

In Zukunft probiere ich die Aussage „Ich habe keine Zeit“ zu ersetzen durch: „Es hat keine Priorität.“ Mal schauen, wie das ist.

Eigentlich haben wir immer eine Wahl, wofür wir Zeit haben (wollen) und wofür nicht. Es ist eine Frage unserer Prioritäten.

6. Wenn wir uns selbst besser fühlen wollen, sollten wir zuerst anderen helfen.

Mir fällt auf, dass viele Menschen sich gerade freiwillig für andere engagieren. Sei es der Einkauf für den Nachbarn, ehrenamtliche Hilfe für sozial Schwächere oder einfach die häufigere Nachfrage bei Freunden und Familienangehörigen, wie es ihnen geht.

Ich habe miterlebt, wie erfüllend es sein kann, zu helfen:

Meine Mutter musste kürzlich eine Woche im Krankenhaus verbringen, weil sie nach einer komplizierten Augenoperation unter Beobachtung stand. Sie teilte sich ein kleines Vierbettzimmer mit drei älteren Damen.

Da meine Mutter von allen die Fitteste war, nutzte sie ihre Zeit, um ihre Zimmergenossinnen aufzumuntern. Sie ließ sich Fotos von ihren Enkeln zeigen, spielte ihnen ihre Lieblingsarien aus Opern vor und sorgte mit italienischer Musik von Eros Ramazzotti für fröhliche Stimmung beim Abendessen.

Obwohl sie eine schwere Zeit durchmachte, fühlte sie sich in diesen Tagen merkwürdig gut… Sie konnte ihr eigenes Problem für ein paar Momente vergessen, weil sie sich gebraucht fühlte und dazu beitrug, dass es den anderen um sie herum besser ging.

Wir fühlen uns erfüllt, wenn wir anderen etwas geben können. In dem Moment, wo man sich selbst nicht im Fokus hat, hilft man sich am meisten.

Wenn Corona vorbei ist, möchte meine Mutter einmal pro Woche in einem Pflegeheim aushelfen. Sie hat gemerkt wie schön es für sie war, für ältere und schwächere Menschen da zu sein.

7. Unsere Sonnen– UND Schattenseiten sind liebenswert.

Jeder von uns trägt sowohl Licht- als auch Schattenanteile in sich. Häufig schämen wir uns aber für die Anteile in uns, die wir als schlecht betrachten: unsere Schattenseiten. Wir lehnen sie ab und versuchen, sie vor der Welt zu verstecken, weil wir glauben, dass wir nur ohne sie liebenswert und gut genug sind.

Wir können versuchen, unsere Schattenseiten zu zähmen. Doch gelingen wird es uns nicht. Denn wo Licht ist, ist immer auch Schatten. Es braucht den Kontrast.

„Mein Schatten gehört ebenso zu mir wie mein Licht. Es sind die beiden Seiten, die mich vollständig machen.“

Unsere Schatten werden immer ihren Weg an die Oberfläche finden, solange wir sie nicht liebevoll annehmen und integrieren lernen.

Wir dürfen unsere Gefühle oder Bedürfnisse nicht unterdrücken, sondern müssen Licht auf sie werfen. Uns selbst erlauben, uns mit unseren Sonnen- und mit unseren Schattenanteilen zu lieben. Nur so entstehen Tiefe und Charakter. Und nur so erlauben wir auch allen anderen, ihr wahres Ich zu leben: mit allem, was dazugehört.

8. Anhaltendes Glück und Erfüllung finden wir nicht im Außen, sondern nur in uns Selbst.

Dieser Punkt verlangt, von jedem Menschen für sich selbst verstanden zu werden. Lassen wir ihn deshalb unkommentiert nachklingen. Vielleicht kann er auf diese Weise seine Wirkung am besten entfalten…

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Corona bietet uns allen Grund zur Sorge. Pessimisten können sich hier wahrlich austoben und Angst und Panik schüren.

Ich entscheide mich lieber dafür, die Krise durch optimistische Augen zu sehen. Nicht nur meiner Gesundheit tut das deutlich besser. Auch meiner Fähigkeit, Glück und Freude zu empfinden, spielt eine positive Sichtweise auf das Leben in die Karten.

Glück ist eine Entscheidung. Wir sind selbst dafür verantwortlich, was wir aus der uns gegebenen Situation machen. Vielleicht sind existenzielle Herausforderungen nicht immer nur Probleme, die wir lösen müssen. Manchmal sind sie auch kleine Erinnerungen, bewusster zu leben…

Gern möchte ich diesen Beitrag mit den Worten meines Freund und Mentors Florian Langenscheidt abschließen. Er hätte es nicht schöner und treffender formulieren können:

Optimismus ist das bunte Korallenriff inmitten des Roten Meeres,
die palmenübersäte Oase inmitten der Sahara.
Er mag manchmal oberflächlich und unrealistisch wirken,
ist aber lebens- und überlebensnotwendig. 

Ein wenig Optimismus zumindest hat jeder von uns:
Wir leben, obwohl wir wissen, dass wir sterben werden.
Wir arbeiten an uns und geben unser Bestes,
obwohl das Ich, das wir herausbilden, ein endliches ist.

„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge,
würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Martin Luthers berühmter Satz umreißt diese
Grundeinstellung auf das Schönste.

Manche Menschen fragen, wie man angesichts der Not
und des Elends in dieser Welt Optimismus entwickeln kann.
Ich frage eher: Wie kann man existieren ohne?
Hätte ich nicht das Gefühl, etwas zum Positiven hin ändern zu können,
wie könnte ich leben in der Ungerechtigkeit?
„Die Hoffnung ist der Regenbogen
über den herabstürzenden Bach des Lebens“,
formulierte Nietzsche.

Dabei ist der Optimist nicht einer,
der aus dem 9. Stock eines Hauses springt
und sich beim 3. sagt, er lebe ja noch.
Nein, er sieht die Realität in all ihrer Komplexität
und macht einfach das Beste daraus.
Und weiß, dass ihn ein positives Herangehen
zu einem glücklicheren,
gesünderen und gewinnenderen Wesen werden lässt.

Ich wünsche dir das Beste auf deinem Weg und freue mich, dich ein Stück dabei begleiten zu dürfen.

Deine Alica

1 Kommentare

  1. Antonio sagt:

    Hallo Alica,
    es war mir wieder eine Freude Deinen Ausführungen zu folgen und habe auch diesmal wieder Deine Worte verschlungen. Ich schreibe Dir noch eine PN (Persönliche Nachricht) dazu .
    Danke

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