(K)ein Manifest für die Liebe

Vergangene Woche war ich auf einem Dinner eingeladen, bei dem alle Teilnehmer ohne Ausnahme doppelt so alt waren wie ich. Wir verstanden uns gut und erzählten viel. Irgendwann ging es um das Thema Beziehungen…

Vier Männer am Tisch waren – so nannten sie es – „glücklich verheiratet“. Gegenüber von mir saß eine Frau. Sie war zweifach geschieden. Mit Beziehungen sei sie durch, hat sie gesagt. Sie wolle nur noch „Spaß haben“ und ihre „Freiheit genießen“.

Die vier Verheirateten erzählten von ihren Ehen und tauschten Lebensweisheiten aus. Wie wichtig es sei, miteinander zu reden, sich auch mal streiten zu können und dabei immer fair zu bleiben. Bis hierhin schwebte ich noch zustimmend in meiner Blase.

Doch dann kam plötzlich der Brechreiz-Satz:

Menschen seien nun mal nicht für Monogamie gemacht. 

Das hätten sogar schon die Kirchen im Mittelalter gewusst, weshalb sie in weiser Voraussicht eines der einfallsreichsten Finanzierungsmodelle der Geschichte entwickelten, um mit den Sünden der Gläubigen Geld zu verdienen: Jeder, der die Qualen des Fegefeuers vermeiden wollte, konnte sich sogenannte „Ablass- und „Beichtbriefe“ kaufen. Eine solche Versicherung kostete einiges und war, ähnlich wie unsere heutigen Beiträge in die Krankenversicherung, durch Tarife nach Einkommen gestaffelt.

Mit Vollkasko ins Jenseits sozusagen.

Gingen die Menschen also beispielsweise fremd, profitierte die Kirche davon.

An diesem Abend fuhr ich nachdenklich nach Hause. Für meine Erzählungen von einer erfüllten Beziehung, dem Träumen über’s später einmal Heiraten und eine Familie gründen, bin ich nur belächelt worden.

Wie kann es sein, dass selbst diejenigen, die sich als glücklich verheiratet bezeichneten, scheinbar im Herzen nicht an das Konzept der ewigen Liebe glaubten? Und schlimmer noch – die sogar in guten Zeiten ihrer Partnerschaft die Möglichkeit des einmal Fremdgehens in Erwägung zogen.

Warum reden wir über einen Konflikt zwischen Liebe und Freiheit? Sind das zwei unvereinbare Lifestyles? Heißt, in einer Beziehung zu sein, keinen Spaß mehr zu haben? Kann man nicht lieben und trotzdem frei sein?

Für mich ist es immer wieder ernüchternd, wenn ältere Menschen mir sagen, dass meine jetzige Beziehung sowieso nicht meine letzte sein wird, dass ich bloß nicht zu früh heiraten soll und dass laut Statistiken jede zweite Ehe geschieden wird. Stellt euch vor, ich kenne diese Zahlen. Und wisst ihr was?

Ich möchte sie nicht hören!

Niemand weiß, was die Zukunft bringt. Ob Gefühle bleiben oder eines Tages verschwinden… Klar, Menschen verändern sich. Sie lernen und entwickeln sich weiter – und manchmal wachsen sie auseinander. Aber welches Ziel haben Leute vor Augen, die anderen die Liebe schlecht reden?

Was ist das für ein Mindset? Wie soll ich Vertrauen haben, wenn ich mir ständig negative Voraussagungen anhöre? Woran liegt es, dass Paare nicht mehr kämpfen?

Sehr wahrscheinlich werden einige nun denken, ich sei zu jung und zu unerfahren, um über die Liebe zu schreiben. Aber mit meinem „jugendlichen Leichtsinn“ möchte ich vor allem eins: dazu beitragen, zur Liebe zu inspirieren, anstatt vor ihr zu warnen – was bereits so viele andere tun.

Ich glaube, dass die meisten nur ihren über Jahre immer dicker gewordenen Mantel aus schlechten Gedanken, negativen Einstellungen und verletzenden Erfahrungen ablegen müssten, um wieder mit dem Herz ihres 20-jährigen Ichs auf die Welt und all ihre Wunder schauen zu können. Liebe ist überall. Sie ist das einzige, was existiert. Alles was ist, alles was wir tun oder sagen, geschieht entweder aus Liebe – oder aus ihrem Gegenteil – Angst. Die einzig richtige Antwort auf egal welche Frage ist Liebe.

Nur wer lieben kann, ist wirklich mutig. Nur wer nicht gleich das Handtuch wirft, meint den Schwur, durch gute wie schlechte Zeiten gemeinsam zu gehen, auch ernst.

Es ist sehr leicht, in guten Zeiten glücklich zu sein. Doch wie stark und echt eine Liebe wirklich ist, zeigt sich immer erst in den schweren Momenten. So ist es mit allem. Oder nicht?

…Dies soll kein Manifest sein für nie endende Liebe. Nur ein kleiner Schritt in eine andere Richtung. Weg von all den Scheidungsquoten und Negativ-Nachrichten.

Auch ich habe schon schmerzhafte Erfahrungen gemacht.

Wenn du selbst nicht davon überzeugt bist, dass du eine erfüllte Beziehung verdienst, oder wenn du denjenigen glaubst, die dir sagen wollen, dass es so etwas auf Dauer nicht gibt, dann wirst du damit Recht behalten.

“Whether you think you can, or you think you can not, either way you’re right.” (Henry Ford)

Du hast deinen Partner aus einem Grund! Wenn du Problemen ausweichst, indem du dich trennst, wirst du nur wieder dieselbe Aufgabe gestellt bekommen. Das Universum bringt dir solange die gleichen Herausforderungen, bis du aus ihnen lernst.

Ein neuer Partner wird nichts ändern. Die Lösung ist in dir. Deshalb sind Beziehungen unser wertvollster Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen und heilen können.

Ich glaube, eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gesunde Beziehung ist, sich von Anfang an darüber einig zu sein, aus welchen Gründen man die Partnerschaft eingeht. Im Idealfall sollten beide miteinander wachsen wollen, sowohl als Einzelperson als auch als Team.

Etwas Gemeinsames aufbauen, voneinander lernen, sich gegenseitig durch schwere Zeiten helfen und glückliche Momente miteinander teilen. Das ist, was für mich eine erfüllte Beziehung bedeutet. Man formt und prägt sich gegenseitig. Es ist ein Auf und Ab. Und manchmal muss der eine mehr geben als der andere.

Für mein nächstes Abendessen werde ich diese Gedanken verinnerlichen. Damit niemand mehr die Macht hat, meinen unbeschwerten und hoffnungslos romantischen Glauben an die Liebe zu erschüttern.

Photos by Christian Khalidi

Deine Alica

7 Kommentare

  1. Rose Luisa sagt:

    This article is SO FUCKING ON POINT! You accept the love you think you deserve. I love you! ❤️

  2. Sabrina Glasek sagt:

    Exakt! Wunderbar und klar geschrieben. ??

    1. Alica Preetz sagt:

      Vielen Dank 🙂 ❤️

  3. Silke sagt:

    Nicht jeder Mensch, der Dir begegnet, ist eine Inspiration für Dich- ob mit mehr oder mit weniger Lebenserfahrung, ob mit positiver oder negativer Sicht auf das Leben. Auf keinen Fall solltest Du Dir den Glauben an die Liebe nehmen lassen?

  4. S. sagt:

    Liebe Alica,
    ich bin die Frau, die dir bei dem Dinner gegenüber saß. Auf gar keinen Fall wollte ich dir den Glauben an die Liebe nehmen. Tut mir leid, wenn wir alle ein wenig dazu beigetragen haben. Erfahrungen machen uns nun mal zu den Menschen, die wir sind. Aber du hast Recht, es gibt nichts anderes als Liebe oder eben Angst. Danke für den Reminder. Gerne schneide ich mir eine Scheibe deines jugendlichen, frischen Mutes ab! Respekt, Deine S.

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